Mit dem 50 Diamond hat der französische Hersteller Archos ein viel beachtetes Gerät vorgestellt: Achtkern-CPU (Qualcomm Snapdragon 615), Full-HD Display, LTE, Dual-SIM, 2 GB RAM und 16 GB Flash Speicher (um bis zu 128 GB erweiterbar), 16 und 8 Megapixel-Kameras, das klingt nach einer sehr satten Ausstattung. In meinem Praxistest habe ich das Archos 50 Diamond auf seine Alltagstauchlichkeit hin geprüft:
Das Gehäuse des Archos fällt zunächst durch seine leuchtend gelbe Farbe auf, die Kameras ganz schön auf die Probe stellt – in echt sieht es noch viel leuchtender aus als auf allen Bildern und Videos – So wie mit einem Textmarker angemalt! Die Rückseite ist matt gehalten, hat aber keine Softtouch Beschichtung, so dass der Kunststoff durchaus in der Hand (und schlimmstenfalls auch aus der Hand) rutschen kann. Die Verarbeitung wirkt in Ordnung – man sieht ein paar ungenau aufeinander abgestimmte Teile und die Tasten haben ziemlich viel Spiel, es knarzt aber nichts. Der 2700 mAh Akku ist leider nicht wechselbar, obwohl man die Rückseite abnehmen und so die zwei SIM-Karten und die Speicherkarte einlegen kann. Dabei erfolgt die erste kleine Enttäuschung: der 2. SIM-Slot ist nur GSM fähig, LTE und UMTS gibt es nur im ersten Slot.
Das Gehäuse ist allerdings für ein 5 Zoll Smartphone recht groß geraten – es ist z.B. länger, als das LG G mit seinem 5,5 Zoll Display, was vor allem an dem recht ausladenden Kinn unterhalb des Displays liegt, welches neben reichlich Platz für die Tasten noch mal einen breiten gelben Rand umfasst – das sieht zwar schick aus, mach das Gerät aber unnötig groß. Auch die Ränder seitlich des Displays fallen mit fast 5mm sehr großzügig aus.
Die Performance entspricht dem, was man vom Qualcomm Snapdragon 615 kennt – den kennen wir ja schon aus dem Phicomm Passion (s. Testbericht). Mit knapp 30000 Punkten im AnTuTu Benchmark (v5.7) hat man genug Leistung für alles alltägliche und auch die meisten Spiele, allerdings gibt es in der Oberfläche trotz des recht potenten Prozessor minimale Ruckler, z.B. beim Blättern durch den App-Drawer. Diese sind aber so geringfügig, dass sie vermutlich nur Nutzern von komplett flüssig arbeitenden Smartphones überhaupt auffallen.
Trotzdem ist die Leistung des Snapdragon 615 im Vergleich zur Konkurrenz ein wenig enttäuschend: MediaTek erreicht schon mit seinem aktuellen Vierkerner MT6732 bessere Benchmark-Ergebnisse und der Achtkerner MT6752 hängt den Snapdragon 615 deutlich ab. Wer ein Maximum an Performance sucht, z.B. um sehr aufwändige Spiele betreiben, ist hier also nicht optimal aufgehoben. Für alle anderen ist die Leistung allerdings mehr als nur ausreichend, und die kleinen gelegentlichen Ruckler kann man durch Software-Optimierungen sicher auch noch ausbügeln.
Das Display des Archos 50 Diamond ist seine Schokoladenseite: Die hohe Full-HD Auflösung stellt insbesondere Schriften besonders schön dar, die Helligkeit reicht auch für die Nutzung bei Sonnenwetter (wobei es durchaus hellere Displays gibt), der Schwarzwert ist gut und die Blickwinkel sind auch sehr ordentlich: Man kann bei spitzen Winkeln nur eine leichte Abdunklung feststellen, die Farben bleiben aber absolut konstant. Das Display des Archos 50 Diamond ist sicher eines der besten im Preisbereich bis 250,- EUR.
Die Kamera des Archos 50 Diamond liefert sehr schöne und recht Detailreiche Bilder, auch wenn die Details nicht ganz das Maß erreichen, das man sich vielleicht von einer 16 Megapixel Kamera erwarten würde. Das LG G3 mit seinem 13 MP Sensor zeigt z.B. noch ein wenig mehr Details – wie so häufig bei Smartphone-Kameras (und sogar bei Kompakten Fotoapparaten) ist die Optik hier eher der begrenzende Faktor als die Auflösung des Sensors. Auch die Videos in Full-HD Auflösung wissen zu gefallen, Belichtung und Autofokus werden recht unauffällig nachgezogen, nur bei großen Entfernungs-Sprüngen pumpt der Autofokus ganz leicht. Nur gegen seitlich auf die Linse fallendes Licht ist die Kamera recht empfindlich und zeigt dann einen deutlichen Grauschleier – hier hilft notfalls das Abschatten per Hand.
Die Möglichkeiten der Kamera-Hardware werden allerdings durch die auf dem Archos 50 Diamond installierte Kamera-App unnötig schlecht zugänglich gemacht: Es gibt keinerlei Schnelleinstellungen, selbst so selbstverständliches wie das Aktivieren des Blitzes ist erst in der zweiten Menüebene zu finden – wobei die erste Menüebene aus drei Untermenüs, die alle „weitere Optionen“ heißen besteht. Man sucht sich also für jede noch so kleine Einstellung einen Wolf in diesem Chaos… zumal die drei Menüs auch viele für normale Anwender kaum nachzuvollziehende Einstellungen (z.B. Auto Belichtung: Rahmendurch, Center Weighted oder Spotmessung) oder wenig Sinnvolles wie das Abschalten von Touch-To Fokus enthalten. Hier ist dringend eine Entschlackung und sinnvolle Strukturierung nötig. Aber egal, im Play Store gibt es zum Glück einige kostenlose Kamera-Apps mit denen das Fotografieren mit dem Archos Topmodell deutlich mehr Spaß macht.
Das 50 Diamond wird mit Android 4.4.4 ausgeliefert, wobei nur wenige Änderungen an Googles Betriebssystem vorgenommen wurden: Ein paar zusätzliche Optionen in den Einstellungen, anders funktionierende Schnelleinstellungen (Antippen führt ins Menü, langer Druck schaltet die Option direkt um – normalerweise ist das genau umgekehrt) – das war’s auch schon. Und das ist erfreulich, denn Android bietet in dieser Form eine schöne Optik (was natürlich Geschmackssache ist) und eine gute Performance, während die Android-Oberflächen anderer Hersteller selten die Optik verbessern und fast immer die Performance beeinträchtigen.
Die Dual-SIM Optionen sind identisch mit denen des Phicomm Passion – hier scheint Qualcomm eine entsprechende Vorlage zu liefern. Sie können im Vergleich zu den MediaTek Geräten nicht mithalten, da sie kaum Komfortfunktionen bieten. Anstatt einstellen zu können, mit welcher SIM man üblicherweise telefonieren will oder dies sogar pro Kontakt festlegen zu zu können, erscheinen hier einfach zwei Anruf-Knöpfe in der Telefon-App, bz. zwei Sende-Tasten beim SMS-Schreiben – für jede SIM-Karte eine. Wer z.B. eine SIM für die Internetverbindung und eine für’s günstige Telefonieren nutzt muss bei jedem Anruf aufpassen, die richtige SIM zu verwenden. Zudem gibt es auch hier (wie beim Phicomm Passion) die unsinnige Einschränkung des einstellbaren SIM-Names auf ganze 6 Zeichen – was auch immer das soll… wobei dieser Name sowie so kaum genutzt wird, bei den oben erwähnten Taste sieht man z.B. nur ein kleines Farbiges Symbol und die Zahlen 1 und 2. Man muss sich also so oder so gut merken, in welchem Slot welche SIM steckt. Immerhin kann man den Klingelton pro SIM Karte festlegen.
Eine wirklich feine Sache ist „Fusion Storage“: Diese Software erlaubt es, den internen Flash-Speicher (von dem beim Start gut 12 GB frei sind) mit einer Speicherkarte zu einer Partition (quasi einem Laufwerk) zusammenzufassen. Vorbei sind damit die Zeiten, in denen man Apps manuell auf die SD-Karte verschieben musste, wenn der interne Speicher mal knapp wurde. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn man die SD Karte entnehmen will – hier ist unbedingt vorher Fusion Storage zu deaktivieren, die Software sortiert dann automatisch die Daten auseinander, Mediendateien kommen auf die Speicherkarte, Apps in den internen Speicher. Fusion Storage ist seit kurzem per OTA Update verfügbar, ich hatte schon eine Vorabversion auf meinem Testgerät und konnte mich vergewissern, dass dies alles tatsächlich funktioniert – eine tolle Idee! Allerdings zeigt die Android-Eigene Speicher-Statistik dann nichts brauchbares mehr an, da sie weiterhin nur auf den internen Speicher achtet – der Fusion Storage Menüpunkt bietet aber eine ähnliche Funktion an.
Auf der Packung des Archos 50 Diamond prangt ein Gameloft-Logo mit „Pre-installed Games by…“ – was für mich eher wie eine Drohung als eine Werbung aussieht… bisher erschien mir keins dieser häufig vorinstallierten Gameloft-Spiele brauchbar. Archos scheint sich doch noch anders entschieden zu haben, auf meinem Testgerät war nichts dergleichen installiert. Beim Einrichten wurde mir allerdings angeboten, nach zusätzlicher Software zu suchen – gefunden wurde dann aber nichts. Trotzdem – dies scheint mir ein guter Kompromiss zu sein, den Käufern ein paar zusätzliche Apps anzubieten, diese aber nur auf Wunsch zu installieren und somit nicht unnötig Speicherplatz blockieren.
Zwei Archos eigene Apps gibt es noch: Einen eigenen Dateimanager, der nicht nur schick aussieht, sondern erfreulicherweise auch auf Netzwerk-Laufwerke zugreifen kann. Außerdem gibt es noch Archos Video, eine App die wie zu erwarten Videos wiedergeben kann. Da Archos schon lange vor Tablets und Smartphones Media-Player hergestellt überrascht dies nicht wirklich. Auch hier gibt es wieder nette Netzwerkfunktionen: Archos Video kann sowohl auf Netzwerk-Laufwerke (also Dateiserver) zugreifen, also auch auf DLNA kompatible Medienserver. Während ich im Video noch kritisiert hatte, dass dieser Netzwerk-Zugriff nicht funktioniert, kann ich hier mittlerweile Entwarnung geben: Bei beiden Apps scheint das mit dem letzten Update behoben worden zu sein. Das lässt hoffen, dass auch die verbleibenden Hakeleien (die Kamera-App, die ein oder andere englische Fehlermeldung usw.) bald behoben werden.
Hoffentlich wird dabei dann auch noch die Funktion der Benachrichtigungs-LED verbessert: Diese leuchtet momentan ausschließlich wenn der Akku geladen wird, Benachrichtigungen wie entgangene Anrufe oder neue Nachrichten werden nicht angezeigt. Das kann man nach Berichten anderer Archos 50 Diamond Nutzer per App (z.B. LED Blinker) lösen, das geht dann aber stark auf Kosten des Akkus.
Bei den sonstigen Eigenschaften gibt es wenig zu meckern: WLAN, Bluetooth, GPS und Mobilfunk klappen tadellos, allerdings sind die LTE Datentransfer-Raten nicht gerade rekordverdächtig: Ich bin im Vodafone Netz immer unter 20 MBit/s Downloadrate geblieben, während andere Geräte (UleFone Be Pro – s. Test und Kingzone Z1) an gleicher Stelle und zur gleichen Zeit (ca. 2 Minuten Abstand für’s Karten-Wechseln) mehrfach über 55 MBit/s erreicht haben. Das ist schwach, muss aber nicht in jeder Situation zu sein, denn der Empfang hängt stark von den Umgebungsbedingungen ab, und die können extrem variieren.
Sehr erfreulich ist die Akku-Ausdauer: Ich habe im Battery Benchmark, der das Handy nur mäßig belastet, hervorragende 18:26 erreicht (sorry, im Video erwähne ich mehrfach 15h, das hätte ich vorher noch mal nachsehen sollen…). Das bestätigte sich auch im Alltag: Bei geringer Nutzung (nur Gelegentlich E-Mails checken und Fotos machen, knapp 2 Stunden Screen-On) habe ich mit zwei aktiven SIM-Karten sowie WLAN an 4 Tage und 19 Stunden erreicht. Bei stärkerer Nutzung, vor allem beim Spielen, wird der Akku aber deutlich schneller leer gesaugt und das Gerät wird um die Kamera herum auch sehr warm. Für einen kompletten Tag sollte es aber auch dann reichen – und wer das Gerät kaum nutzt, kommt vielleicht sogar über eine komplette Arbeitswoche. Das nenne ich mal ausdauernd!
Insgesamt kann das Archos 50 Diamond im Alltag überzeugen: Das Display sucht in diesem Preisbereich seinesgleichen, der Akku ist sehr ausdauernd, die Kamera macht gute Bilder. Die größten Kritikpunkte sind alle nicht wirklich schlimm und könnten noch per Update behoben werden: Die Benachrichtigungs-LED, die krude Kamera-App oder die gelegentlichen englischen Fehlermeldungen. Und wer mag kein das Meiste davon selber per App beheben.
Jetzt fehlt nur noch, dass das Archos 50 Diamond auch an breiter Front verfügbar ist – immerhin sind während des Verfassens dieses Testberichts (der sich ein paar Tage hin gezogen hat…) noch ein paar Quellen hinzugekommen, die ab 22. Mai liefern können – allerdings momentan für 269,- EUR. Wollen wir mal hoffen, dass bei besserer Verfügbarkeit der Preis wieder auf die UVP von 249,- EUR oder gar weniger fällt.
[ Datenblatt Archos 50 Diamond ]
Preise und Bezugsquellen:
Testbilder im Originalformat (bitte Geduld beim Laden):
Screenshots mit Benchmarkergebnissen, vorinstallierten Apps usw.
Testvideo in Full-HD:
[…] […]
9 Kommentare
Hallo Klaus,
wie immer ein guter und ausführlicher Test!
Schade, dass Archos so große Ränder verbaut hat, sonst wäre ein Umstieg vom Wiko Rainbow denkbar gewesen, endlich ein knalligeres Gelb! 😉
Nachdem die Performance des Snapdragon 615 eher nicht glänzen kann, werde ich wohl statt dem M5.5 zum Honor 4X greifen, aber davor warte ich noch deinen Testbericht des bq ab. 😀
Mfg,
werner
Ps.:Ein paar Tippfehler:
„Dual-SIM, 1 GB RAM und 16 GB Flash“ – ich hoffe mal auf 2GB RAM 🙂
„Währen ich im Video noch kritisiert hatte“
„dei Funktion der Benachrichtigungs-LED verbessert“
„und die könne extrem variieren.“
Hallo Klaus,
könntest du, falls du das Gerät noch zur Hand hast, eventuell die Breite selbst abmessen (nur ungefähr)?
M.E. kann die Angabe mit ~70mm nicht stimmen, da die Ränder ca. gleich breit wie die des Rainbows wirken und beide ja ein 5 Zoll Display haben, also woher kämen da die 4mm Unterschied? 😀
Mfg,
werner
Hallo Werner,
es sind sogar 70,5mm, bei den Tasten gut 71mm … die Ränder sind schon reichlich breit.
Gruß,
Klaus
Danke fpr die Hinweise, ist korrigiert 🙂
Hi Klaus,
vielen Dank für den Test! Super wie immer!
Wenn ich das so lese lohnt es sich ja quasi gar nicht auf das M5 zu warten. Klingt als wäre der 410er Snapdragon im E5 LTE oder Wiko Ridge genauso performant?
Wie würdest Du die Performance im Vergleich beurteilen?
Oder wird BQ es vielleicht einfach besser hinbekommen mit Lollipop?
Vielen Dank und viele Grüße
Michael
Hallo Michael,
nein, der Snapdragon 410 (also E5 LTE, Ridge) ist nur ca. 60-70% s schnell wie der 615 – das ist schon nochmal ein spürbarer Unterschied bei Spielen (und Benchmarks 😉 ).
Ich denke schon dass man bei bq keine oder weniger der kleinen Ruckler haben wird, aber das ist jetzt aus dem Bauch heraus 😉 Zumindest hatten die anderen Modelle sich auch mit schwächeren CPUs immer recht flüssig angefühlt…
Ich würde tendentiell eher ein MediaTek basiertes Gerät nehmen, MT6732 (so flott wie hier der Snäppi 615, LTE viel schneller) oder den MT6752 – der ist noch mal gut 50% schneller als der 615.
Leider gibt es bisher noch kaum Geräte damit auf dem deutschen Markt, deshalb ja auch meine Tests der China-Importe mit diesen CPUs.
Gruß,
Klaus
Danke. So kann ich mir schon mal ein Bild machen. Aber den Release vom M5 warte ich nochmal ab bis zur endgültigen Entscheidung. Du wirst ja sicher dann recht flott ein Testgerät bekommen wie ich dich kenne 😉
Hallo Klaus!
Herzlichen Dank und ein RIESEN Lob für Deinen 50 Diamond Testbericht! (Ich bin inzwischen ein richtiger „Fan“ der Testberichte geworden) !!!
Nach nun gut 5 Wochen bin ich mit meinem Archos viel zufriedener, (ich hatte wohl auch richtig Glück das Gerät bei Amazon für 250€ zu ergattern), denn inzwischen hab ich auch soweit alles was mich gestört hat „ausgemerzt“. Die fehlende Benachrichtigungsanzeige ist auch nicht mehr so schlimm, weil seit neuestem die whatsapp Benachrichtigungen sofort beim Einschalten auf dem Display erscheinen, man braucht also das wa Programm gar nicht öffnen. Das update für den Fusion storage ist auch gekommen, der CPU wird (warum auch immer ?) nicht mehr heißer als max 50 °. Gestern ist mir das Gerät im Bad auf die Fließen gefallen und es ist nichts kaputt gegangen.
So ist alles nochmal zu nem guten Ende gekommen und ich bin verdammt froh, nicht das Avus
gekauft zu haben!
Allen usern noch viel Spaß mit der „Leuchtkanone“ 😉
Hmmmm….gefiel mir eigentlich richtig gut, aber da es so groß ist, ist mein kommender Favorit dann vielleicht eher das Huawei P8 Lite, das muss ja alles noch a bisserl besser können (trotz 13 MP)…
Viele Grüße
Peter